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    Schwerbehindertengesetz Urteile

    Sozialhilfe umfasst keine Kosten wöchentlicher erotischer Ganzkörpermassagen für schwerbehinderten Menschen

    Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 06.02.2020
    – L 8 SO 163/17 –

    Sozialhilfe umfasst keine Kosten wöchentlicher erotischer Ganzkörpermassagen für schwerbehinderten Menschen

    Keine Erhöhung des Regelsatzes oder Hilfe zur Pflege oder in sonstigen Lebenslagen

    Im Rahmen der Sozialhilfe müssen keine Leistungen für eine wöchentliche erotische Ganzkörpermassage erbracht werden. Es kommt weder eine Erhöhung des Regelsatzes noch eine Hilfe zur Pflege oder in sonstigen Lebenslagen in Betracht. Dies hat das Bayerische Landessozialgericht entschieden.

    In dem zugrunde liegenden Fall beanspruchte ein schwerbehinderter Mann über die Sozialhilfe Leistungen für eine zweimal wöchentliche erotische Ganzkörpermassage. Die Massagen sollten jeweils 200 EUR kosten. Die zuständige Behörde lehnte eine Kostenübernahme ab. Aus diesem Grund klagte der schwerbehinderte Mann. Er gab an, hypersexuell und aufgrund seiner Erkrankungen nicht in der Lage zu sein, sich selbst Erleichterung zu verschaffen. Zur Befriedigung seines Geschlechtstriebs sei er dringend auf die Massagen angewiesen. Das Sozialgericht München wies die Klage ab. Dagegen richtete sich die Berufung des Klägers.

    Weiterlesen:

    https://www.kostenlose-urteile.de/Bayerisches-LSG_L-8-SO-16317_Sozialhilfe-umfasst-keine-Kosten-woechentlicher-erotischer-Ganzkoerpermassagen-fuer-schwerbehinderten-Menschen.news28584.htm

    Volltext:

    https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=210644

     

    Asperger-Syndrom kann Feststellung des Merkzeichens "B" rechtfertigen

    Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 23.05.2019
    – S 4 SB 1110/14 –

    Asperger-Syndrom kann Feststellung des Merkzeichens “B” rechtfertigen

    Autismus-Spektrum-Störung macht Nutzung stärker frequentierter öffentlicher Verkehrsmittel ohne fremde Hilfe unmöglich

    Das Sozialgericht Düsseldorf hat entschieden, dass ein am Asperger-Syndrom und ADHS leidender Minderjähriger Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens “B” für die unentgeltliche Beförderung einer Begleitperson hat.

    Der minderjährige Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls leidet unter einem Asperger-Syndrom und ADHS. Die Stadt Krefeld stellte einen Grad der Behinderung von 50 fest sowie die Voraussetzungen für das Merkzeichen “H” (Hilflosigkeit). Die Voraussetzungen für das Merkzeichen “B” seien nicht gegeben. Eine Begleitperson im Straßenverkehr sei nicht notwendig, da nicht das Vollbild eines Autismus vorliege. Bei einem Grad der Behinderung von unter 80 komme zudem nur ausnahmsweise das Merkzeichen “B” in Betracht. Dagegen wandte sich der Kläger. Ohne Begleitung könne er den Schulweg nicht bewältigen.

    Weiterlesen:

    https://www.kostenlose-urteile.de/SG-Duesseldorf_S-4-SB-111014_Asperger-Syndrom-kann-Feststellung-des-Merkzeichens-B-rechtfertigen.news28516.htm

    Volltext:

    https://openjur.de/u/2197019.html

    Zuerkennung des Merkzeichens aG für eine außergewöhnliche Gehbehinderung bei Autismus möglich

    Sozialgericht Gießen, Urteil vom 11.01.2020
    – S 16 SB 110/17 –

    Zuerkennung des Merkzeichens aG für eine außergewöhnliche Gehbehinderung bei Autismus möglich

    Betroffener ist bei erforderlicher Beförderung mit Reha-Buggy aG-berechtigtem Personenkreis gleichzustellen

    Das Merkzeichen aG für eine außergewöhnliche Gehbehinderung eines schwerbehinderten Menschen setzt voraus, dass die Einschränkung der Gehfähigkeit dauerhaft besteht. Bei einer Hirn­leistungs­schwäche (hier: Autismus und Entwicklungs­verzögerung) kann von einer verminderten Gehfähigkeit als Voraussetzung der Zuerkennung des Merkzeichens aG dann ausgegangen werden, wenn der Betroffene aufgrund der Auswirkungen seiner Erkrankung auch mit einer verantwortungs­bewussten Begleitperson nicht mehr geführt werden kann, sondern eine Beförderung mit einem Reha-Buggy erforderlich ist. Dies geht aus einer Entscheidung des Sozialgerichts Gießen hervor.

    Der 2013 geborene im Landkreis Gießen lebende Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens leidet an einem schwerstgradig ausgeprägten Autismussyndrom und ist nicht in der Lage Handlungen zu planen und alleine durchzuführen. Er kann sich alleine weder orientieren noch Gefahren einschätzen und muss die gesamte Zeit beaufsichtigt werden. Eine erwachsene Person allein kann den Kläger trotz voller Umklammerung des Oberkörpers praktisch nicht festhalten.

    Weiterlesen:

    https://www.kostenlose-urteile.de/SG-Giessen_S-16-SB-11017_Zuerkennung-des-Merkzeichens-aG-fuer-eine-aussergewoehnliche-Gehbehinderung-bei-Autismus-moeglich.news28414.htm

    Volltext:

    Liegt nicht vor.

    Anerkennung der Schwer­behinderten­eigenschaft und Zuerkennung des Merkzeichens "G" bei beidseitigem Beinlymphödem

    Sozialgericht Karlsruhe, Urteil vom 28.05.2019
    – S 10 SB 3104/17 –

    Anerkennung der Schwer­behinderten­eigenschaft und Zuerkennung des Merkzeichens “G” bei beidseitigem Beinlymphödem

    Grad der Behinderung bei Lymphödemen beträgt bei erheblicher Beeinträchtigung je nach Ausmaß 50-70

    Das Sozialgericht Karlsruhe hat entschieden, dass ein beidseitiges Beinlymphödem, das zu einer Einschränkung der Höchstgehleistung von nur noch 100 Metern führt, die Anerkennung der Schwer­behinderten­eigenschaft und die Zuerkennung des Merkzeichen “G” (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) rechtfertigen kann.

    Die Klägerin des zugrunde liegenden Falls begehrte die Anerkennung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 sowie die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs (Merkzeichen) “G”. Sie leide unter einem beidseitigen Bein- und Armlymphödem sowie unter einer seelischen Störung mit chronischem Schmerzsyndrom und unter Fibromyalgie. Insgesamt habe der Beklagte bisher einen GdB von 40 anerkannt. Dies sei jedoch zu niedrig. Sie befinde sich in regelmäßiger schmerztherapeutischer und psychiatrischer Behandlung. Wegen des Lymphödems müsse sie zwei Mal pro Woche physiotherapeutische Maßnahmen in Anspruch nehmen. Außerdem sei die Mobilität eingeschränkt. Sie brauche für 100 Meter ca. 30 Minuten.

    Weiterlesen:

    https://www.kostenlose-urteile.de/SG-Karlsruhe_S-10-SB-310417_Anerkennung-der-Schwerbehinderteneigenschaft-und-Zuerkennung-des-Merkzeichens-G-bei-beidseitigem-Beinlymphoedem.news28187.htm

    Volltext:

    Liegt noch nicht vor

    Kein Anspruch auf Merkzeichen Bl (für Blindheit) bei Stoffwechselstörung

    Bundessozialgericht, Urteil vom 24.10.2019
    – B 9 SB 1/18 R –

    Kein Anspruch auf Merkzeichen Bl (für Blindheit) bei Stoffwechselstörung

    Blindheit im Schwer­behinderten­recht erfasst keine gnostischen – neuro­psycho­logischen – Störungen des visuellen Erkennens

    Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass schwerst Hirngeschädigte, die zu keiner differenzierten Sinneswahrnehmung im Stande sind, die gesundheitlichen Voraussetzungen für Merkzeichen Bl (Blindheit) nicht erfüllen.

    Die 2007 geborene Klägerin des zugrunde liegenden Falls leidet seit ihrer Geburt an einer ausgeprägten Stoffwechselstörung (nichtketotische Hyperglycinämie). Bei ihr besteht Pflegebedürftigkeit nach der Stufe III (jetzt Pflegegrad 5). Der Grad der Behinderung (GdB) ist mit 100 festgestellt. Die Merkzeichen H, B, G, aG und RF sind ihr zuerkannt, nicht hingegen Merkzeichen Bl.

    Weiterlesen:

    https://www.kostenlose-urteile.de/BSG_B-9-SB-118-R_Kein-Anspruch-auf-Merkzeichen-Bl-fuer-Blindheit-bei-Stoffwechselstoerung.news28004.htm

    Volltext:

    Liegt nicht vor

    Teilhabe am Leben: Leistungsbezieher mit schwerer Lungenerkrankung hat Anspruch auf Kostenübernahme für Gebrauchtwagen Verweis auf Benutzung des ÖPNV ...

    Sozialgericht Mannheim, Gerichtsbescheid vom 09.04.2018
    – S 2 SO 2030/16 –

    Teilhabe am Leben: Leistungsbezieher mit schwerer Lungenerkrankung hat Anspruch auf Kostenübernahme für Gebrauchtwagen

    Verweis auf Benutzung des ÖPNV aufgrund Notwendigkeit der Mitnahme eines Sauerstoffgerätes mit Zusatztank nicht zulässig

    Ein an einer schweren Lungenkrankheit leidender Bezieher von Grundsicherung hat Anspruch auf einen Zuschuss für den Kauf eines Gebrauchtwagens, damit er Verwandte besuchen kann. Dies geht aus einer Entscheidung des Sozialgerichts Mannheim hervor.

    Der Kläger bezieht Grundsicherung im Alter vom beklagten Sozialamt. Er benötigt wegen einer schweren Lungenerkrankung ständig Flüssigsauerstoff und muss daher ein mehrere Kilogramm schweres Sauerstoffgerät mit einem Sauerstofftank bei sich führen.

    Weiterlesen:

    https://www.kostenlose-urteile.de/Sozialgericht-Mannheim_S-2-SO-203016_Teilhabe-am-Leben-Leistungsbezieher-mit-schwerer-Lungenerkrankung-hat-Anspruch-auf-Kostenuebernahme-fuer-Gebrauchtwagen.news27806.htm

    Volltext:

    Liegt nicht vor

    SG Bremen: Merkzeichen nicht auf Rollstuhlfahrer beschränkt

    Bremen, Urteil vom 11.01.2019
    – Az.: S 20 SB 297/16 –

    Gehbehinderte Menschen müssen für einen Anspruch auf das Merkzeichen „aG” für eine „außergewöhnliche Gehbehinderung” nicht „absolut gehunfähig” sein. Kann der behinderte Mensch keinen Schritt gehen, ohne sich dabei an einem Rollator oder Rollstuhl festhalten zu müssen, kommt der Anspruch auf das Merkzeichen „aG” in Betracht, entschied das Sozialgericht Bremen in einem am Freitag, 11. Januar 2019, veröffentlichten Urteil (Az.: S 20 SB 297/16).

    Volltext:

    https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=204243

    Gesetz:

    https://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbix/229.html

     

    Land muss Kosten für Einbau eines Aufzugs für einen gehbehinderten Lehrer in Schulgebäude tragen

    Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urteil vom 21.01.2019
    – 12 K 6942/17 –

    Land muss Kosten für Einbau eines Aufzugs für einen gehbehinderten Lehrer in Schulgebäude tragen

    Schulträger trifft keine Pflicht zur Errichtung von Sonderausstattungen für individuelle Hilfsbedürftigkeit einzelner Lehrer

    Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat entschieden, dass das Land Baden-Württemberg die Kosten für den Einbau eines Personenaufzugs für einen gehbehinderten Lehrer in einem Schulgebäude erstatten muss.

    Die Klägerin des zugrunde liegenden Falls ist Trägerin der Schule. Dort ist ein schwerbehinderter Beamter des beklagten Landes als Lehrer tätig, der wegen einer Erkrankung die Treppen im Schulgebäude nicht mehr benutzen kann. Aus diesem Grund ließ die Klägerin einen Aufzug einbauen. An den Kosten des Einbaus beteiligten sich vor Klageerhebung der Kommunalverband Jugend und Soziales Baden-Württemberg und das beklagte Land. Mit der jetzt entschiedenen Klage strebte die Klägerin die Übernahme der verbleibenden Kosten in Höhe von ca. 60.000 Euro durch das beklagte Land an, von denen sie ca. 43.000 Euro zugesprochen bekommen hat.

    Weiterlesen:

    https://www.kostenlose-urteile.de/VG-Karlsruhe_12-K-694217_Land-muss-Kosten-fuer-Einbau-eines-Aufzugs-fuer-einen-gehbehinderten-Lehrer-in-Schulgebaeude-tragen.news27131.htm

    Urteil:

    liegt im Volltext noch nicht vor

    Bei Feststellung der Voraussetzungen für Merkzeichens G ist Merkmal "täglich" nicht wörtlich zu nehmen

    Sozialgericht Stuttgart, Urteil vom 11.01.2018
    – S 6 SB 6943/15 –

    Bei Feststellung der Voraussetzungen für Merkzeichens G ist Merkmal “täglich” nicht wörtlich zu nehmen

    Bei Bewertung der Störungen der Orientierungsfähigkeit sind die von geistig behinderten Menschen häufig bzw. regemäßig genutzten Strecken gemeint

    Für die Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) bei geistigen Behinderungen und darauf beruhenden Störungen der Orientierungsfähigkeit ist das Merkmal “täglich” in den Versorgungs­medizinischen Grundsätzen Teil D Ziff. 1 f) nicht wörtlich zu verstehen. Vielmehr sind nach Sinn und Zweck der Regelung solche Strecken gemeint, die der geistig behinderte Mensch häufig bzw. regemäßig nutzt und die ihm aufgrund dessen vom Ablauf her vertraut sind.

    Weiterlesen:

    https://www.kostenlose-urteile.de/SG-Stuttgart_S-6-SB-694315_Bei-Feststellung-der-Voraussetzungen-fuer-Merkzeichens-G-ist-Merkmal-taeglich-nicht-woertlich-zu-nehmen.news26857.htm

    Urteil:

    liegt im Volltext noch nicht vor

    Behindertenparkplatz: Teilhabegesetz passt Voraussetzungen an

    Der Zugang zum Behindertenparkausweis (Behindertenparkplatz) wird mit dem ab 2017 in Kraft tretenden Bundesteilhabegesetz neu formuliert. Der Gesetzgeber erreicht das, indem die Voraussetzungen für das Merkzeichen aG neu formuliert werden. Ist dieses Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis eingetragen, dann stellt die Straßenverkehrsbehörde auf Vorlage des Ausweises einen Behindertenparkausweis aus (blau mit Rollstuhlsymbol). Dieser berechtigt zum Parken auf Behindertenparkplätzen.

    Die bisher festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für aG hatten zur Folge, dass in den einschlägigen Broschüren und den Bescheiden der Versorgungsämter oftmals für den Einzelfall unpassende Beispiele genannt wurden, die sich nur auf das orthopädische Fachgebiet bezogen. Anspruch auf aG hatten auf dem Papier bisher Querschnittsgelähmte, Amputierte oder Personen mit vergleichbaren Einschränkungen.

    Mit der neuen Formulierung fließt nun endlich ein Urteil des Bundessozialgerichtes aus dem Jahr 2002 (B 9SB 7/01 R) in das Gesetz ein. Der Personenkreis für das Merkzeichen aG umfasst nun jene Menschen, die sich wegen der Schwere der Behinderung nur mit großer Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb des Autos bewegen können. Hierzu zählen jene Personen, die bereits für sehr kurze Entfernungen auf einen Rollstuhl angewiesen sind. Das kann nun auch aufgrund neuromuskulärer oder mentaler Funktionen aber auch wegen Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems und der Atmungsorgane notwendig sein.

    In der Gesetzesbegründung werden u.a. die unten genannten Gesundheitsstörungen genannt. Werden auf diese Beeinträchtigungen mindestens ein GdB von 80% bezogen auf die Gehfähigkeit anerkannt, dann ist das Merkzeichen aG zu vergeben:

    • Gangstörungen mit neurologischen Ursachen und verbunden mit der Unfähigkeit, ohne Unterstützung zu gehen oder die eine dauerhafte Rollstuhlbenutzung notwendig machen (z.B. Querschnittslähmung, Multiple Sklerose, ALS, Parkinson)
    • Funktionsverlust beider Beine ab Oberschenkelhöhe
    • Funktionsverlust eines Beines ab Oberschenkenhöhe ohne Möglichkeit einer prothetischen oder orthetischen Versorgung
    • schwerste Einschränkung der Herzleistungsfähigkeit
    • schwerste Gefäßerkrankungen, z.B. arterielle Verschlußerkrankung
    • nicht ausgleichbare Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades
    • schwerste Beeinträchtigung bei metastasierenden Tumurerkrankungen

    Bei der Begutachtungspraxis wurde auf die genannten Erkrankungen auch in der Vergangenheit schon Rücksicht genommen. Mit der Formulierung der genannten Erkrankungen im Gesetzestext verschwinden jetzt letztlich auch die einseitigen Beispiele aus den Begründungen der Begutachtungen und Bescheiden.

    Eine weitere Gesetzesänderung des ab 2017 in Kraft tretenden Bundesteilhabegesetzes besteht darin, dass auf Antrag eine Feststellung eines GdB oder Merkzeichens auch rückwirkend stattfinden kann. Dazu müssen die gesundheitlichen Voraussetzungen bereits zu einem früheren Zeitpunkt bestanden haben. Das kann unter anderem bei der Steuererklärung sinnvoll sein.

     

    Weitere Artikel zum Thema:

    Bundesteilhabegesetz: die wichtigsten Änderungen

    Die 5 häufigsten Fragen zum Antrag auf Schwerbehinderung

    Kraftfahrzeughilfe für kleinwüchsige Menschen

    Sozialgericht Mainz, Urteil vom 19.11.2015
    – S 1 R 701/13 –

    Auf Auto zur Erreichung des Arbeitsplatzes angewiesen

    Kleinwüchsige Menschen können einen Anspruch auf Kraftfahrzeughilfe haben, wenn sie zur Zurücklegung der Wegstrecken zwischen Wohnung und Arbeitsplatz auf ein Auto angewiesen sind.

    Das Sozialgericht Mainz hat hierzu die Auffassung vertreten, es sei nicht erforderlich, dass die Behinderung die alleinige Ursache für das Angewiesensein auf ein Auto sei. Die Ursächlichkeit im Rechtssinne entfalle nicht schon deshalb, weil zusätzlich andere Gründe – im vorliegenden Fall eine ungünstige Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln – die Benutzung eines PKW erforderlich machten.

    Rentenversicherung muss dem Kläger einen Zuschuss für die Neuanschaffung eines PKWs zahlen Ob auch ein Nichtbehinderter in der gegebenen Situation zur Erreichung seines Arbeitsplatzes auf ein Auto angewiesen sei, stelle daher kein entscheidendes Abgrenzungskriterium dar. Dies ergebe sich unter anderem aus einer Gesetzesauslegung unter Berücksichtigung der Inklusion Behinderter im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention. Die Konvention sei zudem bei der Ausübung des dem Leistungsträger in solchen Fällen eingeräumten Ermessens zu berücksichtigen. Daher müsse die beklagte Rentenversicherung dem Kläger einen Zuschuss für die Neuanschaffung eines PKWs und den entsprechenden behindertengerechten Umbau gewähren.

    Cerebral schwerst geschädigte Kinder nicht länger vom Blindengeld ausgeschlossen

    Bundessozialgericht, Urteil vom 11.08.2015
    – B 9 BL 1/14 R –

    Der 9. Senat des Bundessozialgerichts hat entschieden, dass auch schwerst Hirngeschädigte, die nicht sehen können, Anspruch auf Blindengeld haben. Anders als bisher entschieden, ist hierfür nicht mehr erforderlich, dass ihre Beeinträchtigung des Sehvermögens noch deutlich stärker ausgeprägt ist als die Beeinträchtigung sonstiger Sinneswahrnehmungen wie zum Beispiel Hören oder Tasten (sogenannte spezifische Störung des Sehvermögens).

    Der heute 10-jährige Kläger erlitt bei seiner Geburt (2005) wegen einer Minderversorgung mit Sauerstoff schwerste Hirnschäden, die unter anderem zu einer schweren mentalen Retardierung mit Intelligenzminderung geführt haben. Der Entwicklungsstand des Klägers entspricht nur dem eines ein- bis viermonatigen Säuglings. Seine kognitive Wahrnehmungsfähigkeit ist im Bereich aller Sinnesmodalitäten stark eingeschränkt. Unter anderem verfügt der Kläger lediglich über basale visuelle Fähigkeiten, die unterhalb der Blindheitsschwelle liegen. Der Kläger kann – mit anderen Worten – nicht sehen.

    Die Mutter des Klägers beantragte 2006 für ihren Sohn Blindengeld nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz. Der Freistaat Bayern lehnte den Antrag ab. Zwar liege beim Kläger eine schwerste Hirnschädigung vor, jedoch sei das Sehvermögen nicht wesentlich stärker beeinträchtigt als die übrigen Sinnesmodalitäten. Dies aber sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur sogenannten cerebralen Blindheit Voraussetzung für die Gewährung von Blindengeld. Das Landessozialgericht hat dies bestätigt.

    Der 9. Senat des Bundessozialgerichts, der für den Nachweis einer schweren Störung des Sehvermögens bisher verlangt hatte, dass die visuelle Wahrnehmung deutlich stärker betroffen ist, als die Wahrnehmung in anderen Modalitäten, hat seine Rechtsprechung aufgegeben und dem Kläger Blindengeld zugesprochen. Er sah sich hierzu einerseits aus “prozessualen” Gründen veranlasst. Wie inzwischen zahlreiche Entscheidungen der Instanzgerichte, darunter diejenigen über den Anspruch des Klägers, zeigen, lässt sich gerade bei mehrfach schwerstbehinderten Kindern eine spezifische Störung des Sehvermögens medizinisch kaum verlässlich feststellen. Diesbezüglich hat sich das Kriterium der spezifischen Sehstörung als nicht praktikabel erwiesen; es führt zu einer Erhöhung des Risikos von Zufallsergebnissen.

    Vor allem aber sieht der 9. Senat unter dem Aspekt der Gleichbehandlung behinderter Menschen vor dem Gesetz (Artikel 3 Absatz 1 und Absatz 3 des Grundgesetzes) materiell-rechtlich keine Rechtfertigung mehr für dieses zusätzliche Erfordernis. Der 9. Senat kann keinen hinreichenden sachlichen Grund dafür erkennen, dass zwar derjenige Blindengeld erhalten soll, der “nur” blind ist, nicht aber derjenige, bei dem zusätzlich zu seiner Blindheit noch ein Verlust oder eine schwere Schädigung des Tastsinns oder sonstiger Sinnesorgane vorliegt, bei dem aber nicht von einer deutlich stärkeren Betroffenheit des Sehvermögens gegenüber der Betroffenheit sonstiger Sinnesorgane gesprochen werden kann.

    Das in den Materialien des Bayerischen Landesgesetzgebers zum Ausdruck kommende Anliegen, dass Störungen aus dem seelisch/geistigen Bereich nicht zu einem Blindengeldanspruch führen sollen, kann die Ungleichbehandlung schwer cerebral geschädigter Behinderter nicht begründen. Auch in den Fällen, in denen neben dem fehlenden Sehvermögen weitere oder alle Sinnesorgane schwer geschädigt sind, ändert dies nichts daran, dass der Betroffene sowohl in tatsächlicher wie auch in rechtlicher Hinsicht blind ist.

    Insbesondere stellt die Erwägung, dass derjenige, der wegen schwerster cerebraler Schäden zu keiner oder so gut wie keinen Sinneswahrnehmungen fähig ist, des Blindengeldes nicht bedürfe, weil behinderungsbedingte Mehraufwendungen ohnehin nicht ausgeglichen werden könnten, keinen solchen sachlichen Grund dar. Denn das Blindengeld wird derzeit ohne Rücksicht auf einen im Einzelfall nachzuweisenden oder nachweisbaren Bedarf pauschal gezahlt. Dabei ist gerade Sinn und Zweck der Pauschale, bei festgestellter Schädigung auf die Ermittlung des konkreten Mehrbedarfs sowie einer konkreten Ausgleichsfähigkeit zu verzichten.

    Az.: B 9 BL 1/14 R D.W. ./. Freistaat Bayern